Persönliche Weiterentwicklung des Individuums und Weisheit?

Heute fiel mir eine Frage ein, die mal jemand an mich gestellt hatte, die schon über ein Jahr zurückliegt. Wie damals ist mir heute nicht so ganz klar, welchen genauen Wunsch der Fragende hatte, da ich wenig Konkretes über sein möglicherweise vorhandenes Problem wusste. Außerdem, wer bin ich, dass ich anderen Tipps geben könnte. Ich kann nur von mir sprechen und wie ich meine Probleme (nicht gelöst…) sondern angegangen bin; hier galt es für mich in einen Entwicklungsprozess einzusteigen ohne den suchtartigen! Anspruch zu haben ES JETZT sehr schnell zu lösen, weil man über eine klägliche Lösung verfügt, die aber auch nur einen Versuch darstellen kann, nun besser mit dem Leben zurecht zu kommen.

Letztlich stelle ich mir immer wieder die Frage nach der eigenen Lebensweisheit und die muss verschiedene Aspekte ganzheitlich beinhalten, sonst bleibt sie eine Illusion und keine Weisheit. Leider reicht den meisten heute die Illusion und das hängt sicherlich stark damit zusammen, dass wir in einer Illusionsgesellschaft leben. Die Spreu trennt sich aber in Sachen Bewusstsein gerade massiv vom Weizen und daher erlebe ich unserer Welt als immer mehr polarisiert, auf der einen Seite unbewusste Menschen, die konsumieren und oberflächlich leben und jene, die das Gegenteil anstreben, vieles nach Kräften neu hinterfragen und sich täglich mit der Realität neu auseinandersetzen ohne an altem Wissen oder gar Dogmen festzuhalten.
Im Grunde versuche ich jeden Tag mit dem fertigzuwerden was sich mir bietet, da ist schon ein re-agieren und ich glaube es wäre ebenfalls eine Illusion zu glauben, man hätte das nicht nötig, unser Ego kann uns so was sehr schön „weiß machen“. Es ist eine Option unseres speziell entwickelten Bewusstseins, sich über alles stellen zu können. Ich halte dies ebenfalls für eine Möglichkeit zu überleben, auch wenn dieses Überleben vordergründig mit einer Lüge realisiert wird, kann es dennoch das Überleben eines Menschen sichern, weil er oder andere in seiner speziellen Umgebung vielleicht gerade keine andere Möglichkeit zulassen. Das ist nicht immer schön mitanzusehen und sicherlich auch ein Entwicklungsprozess, ein solches Verhalten zu akzeptieren, weil die bestimmten Personen in ihrer speziellen Situation, mit dem wie sie reagieren letztlich doch noch ihr Bestes geben. Genau dieses ist etwas, was mir sehr, sehr schwer gefallen ist – ich arbeite daran immer noch und zwar jeden Tag. Mir sagte mal jemand, ich würde mich darin schwer tun, mit der Mittelmäßigkeit meiner Mitmenschen klarzukommen. Mein Anspruch an mich selbst sei einfach sehr hoch und es wert ihn vielleicht einmal zu hinterfragen. Wie wahr.

Was also sind einige wesentlichen Aspekt meiner Lebensweisheit, dich ich jetzt hier und heute zusammenbekomme sie aufzuzählen (morgen kann das wieder anders sein):
-zu akzeptieren, dass alle Ansprüche, die jetzt nach diesem Satz geschrieben sind nicht dogmatisch erfüllt werden müssen und oft auch gar nicht erfüllt werden können.
-den Mut zu haben Sachverhalten nicht dogmatisch zu formulieren
-den Mut zu haben Sachverhalte zu nivellieren, zu differenzieren und zu relativieren und nicht zu absolutieren
-den Mut zu haben mal etwas Neues auszuprobieren
-die Welt nicht (mehr) retten zu wollen
-andere nicht mehr retten zu wollen
-nur noch helfen, wenn man um Hilfe gebeten wird (mit dem Anspruch etwaige subtile Manipulationsmotive zu erkennen und dann dankend abzulehnen)
-anderen nicht zur Verfügung stehen zu müssen
-andere nicht zu missionieren
-die innere Stimme zu hören, die für die innere Kraft steht
-die innere Stimme immer besser vom destruktiven „Inneren Kritiker“ zu unterscheiden lernen
-Ängste aufzuteilen in Probleme, die ich nicht lösen und solche, die ich lösen kann
-diejenigen, die ich nicht lösen kann als gegeben zu akzeptieren und keine weitere Energie in sie zu investieren
-weiter zu differenzieren, z. B. Menschen bewusst zu meiden, die sich nachhaltig destruktiv auf mein Leben
auswirken; an dieser Stelle bin ich dann an dem Punkt des klaren Richtungswechsels angekommen.
An diesem Punkt reagiere ich zwar – aber nicht in Form einer reinen Abwehr, sondern ich habe mir die Situation klargemacht und mir selbst einmal in Ruhe meine Möglichkeiten und die damit verbundenen möglichen Folgen klargemacht, und mich dann für eine neue Möglichkeit entschieden.
D. h. ich gehe eigene Ängste konkret an, kläre, was sie für mich bedeuten, wo sie mein Leben beeinträchtigen, was ich aus ihnen lernen kann, ob es realistisch möglich ist, die Ängste durch bewusst verändertes Verhalten neu zu bewerten. Ich spreche hier nicht von er Angst vor KingKong und dem Versuch diese Angst durch einen Kampf mit diesem Monster zu relativieren, sondern von Problemen, die im weitesten Sinne lösbar sind. Das kann ein vorsichhergeschobenes klärendes Gespräch sein weil es einen Konflikt mit einem Menschen gibt, von dem man glaubt, dass es hilfreich wäre es zu führen, man sich aber nicht traut… Um einen inneren Fortschritt zu generieren, also um aus innerer Stärke heraus zu wachsen, halte ich es für nötig, meine Versäumnisse genau zu beleuchten, an welchen Stelle ich eben leider mehr oder weniger unbewusst meine Kraft nicht für mich einsetze, sondern mir aus einem alten ohnmächtigen Verhalten heraus, selbst schade, weil ich nicht für mich einstehe und ohnehin die negative Erwartung habe, zu scheitern, so, wie es meist eben immer in der Vergangenheit der Fall war. Manchmal muss ich mich dann ganz einfach über alte störende Glaubenssätze, die meine bewussten oder unbewussten Misshandler in mein Betriebssystem geschrieben haben, hinwegsetzen. Ich habe letztlich keine andere Möglichkeit, als die von mir selbst aufgestellten Hindernisse zu erkennen, sie in Frage zu stellen, eine neue, eigene Lösungsstragie als neue Möglichkeit in Betracht zu ziehen, mir die dafür nötige Planung und benötigt Zeit zuzugestehen, dann in Planung zu gehen, die Sache im guten Glauben an mich selbst durchzuziehen und das alles, — und jetzt kommt das erste große ABER: — unter der Möglichkeit, auch scheitern zu können und scheitern zu dürfen und das alles, ohne daraus wieder den Inneren Kritiker zu Wort kommen zu lassen, nämlich diesem ganz klar Paroli zu bieten und ihm (und damit sich selbst) klar zu machen, dass Fehler zu einem Lernprozess gehören, genauso wie das Sonnenlicht zur Fotosynthese.
Ganzheitlichkeit ist eine Eigenschaft der Natur. In der Natur gibt es auch Fehler, diese werden aber in keiner Weise abgewertet, das ist eine spezifische Eigenschaft von uns Menschen, die wir uns von der Natur glauben entfernen zu können. Unser Bewusstsein gibt uns auch die Möglichkeit uns zu zerstören, das ist mit der Natur ohne den Menschen auf diesem Planeten so nicht möglich glaube ich. Die Welt ohne den Menschen, also ohne die Möglichkeit totaler Zerstörung wäre eine Welt des reinen Bewahrens und damit aber auch mit fortschreitender Zeit eine Welt des Rückschritts, denn Leben impliziert Weiterentwicklung. Wer sich nicht weiterentwickeln will, entwickelt sich anders, stirbt vielleicht auch früher. Die einseitige Sichtweise was Gut und Schlecht ist, kann viel verderben und erinnert mich an das Buch „Vom Schlechten des Guten“ von Paul Watzlawick. Die Extreme finden wir in allen Vorreitern von Kriegen und wir Deutschen z. B. im Vorkriegs-Nazideutschland, dort versuchte man „Das Schlechte“ per Gesetz abzuschaffen. Wie viel grausamer eine solche Welt dann sein kann, wissen wir heute. Viele Autoren, der von mir gelesenen Bücher vertreten die Haltung, dass eben nichts erzwungen werden kann. Die permanente Selbstreflexion hinsichtlich eigener Abwehr und Projektion eigener Probleme auf die Umwelt aber auch die Schaffung von Räumen, in denen keine Reflexion stattfindet, also man ganz man selbst sein darf, halte ich für einige der wesentlichen Komponenten, mit dem man sich meines Erachtens auf dem Weg zu einem gesunden, lebendigen und prozessorientierten Leben befindet.

Als Leseempfehlung kann ich immer wieder einige der folgenden Bücher geben:
-Im Zeitalter der Sucht von Anne Wilson Schaef, erklärt an sehr, sehr vielen Beispielen sehr plastisch, wo wir täglich suchtartig in die Falle tappen.
-Die narzisstische Gesellschaft, von Hans Joachim Maaz, erklärt hervorragend, wo zerstörerische Destruktion in unserer Gesellschaft zu finden ist, die einmal vom einzelnen auf die Gesellschaft und dann wieder von der Gesamtgesellschaft auf den einzelnen zurückwirkt. Ein begnadeter Fachautor übrigens.
-Basislektüre, um die tiefen Wurzeln kennen zu lernen: Die Massenspychologie des Faschismus, von Wilhelm Reich, ein Buch, was man gelesen haben sollte. Es geht viel weiter über die Hintergründe des Titels hinaus und endet in Körperarbeit, Körperpanzer und den subitlen (Erziehungs-)Methoden, die schon im frühesten Kindesalter den Grundstein für eine destruktive, autoaggressive und selbstverneinende Gesellschaft legen. Reich halte ich einfach für ein MUST READ weil ich der gelebten Überzeugung bin, dass sich Ganzheitlichkeit sehr gut über Reich erleben lässt.
Ganzheitlichkeit ist der Schlüssel der Natur zur Weiterentwicklung. Wir müssen unser Ego so domestizieren, dass es uns unseren Flow nicht nimmt, damit wir nicht in solchen Lebenskrisen steckenbleiben, wie wir es in der Globalisierung z. B. gerade erleben. Im letzten Satz steckt schon wieder eine Manipulation, nämlich das Fehlen von Ganzheitlichkeit als Symptom gesehen isoliert als etwas nur Negatives z betrachten. Ganzheitlichkeit sollte m. E. auch mit einschließen, dass ein Rückschritt erst die Notwendigkeit oder den Wunsch nach Entwicklung umso mehr verdeutlicht. Daher können Rückschritte durchaus auch in Folge einen Fortschritt bedeuteten.
Was selbsthinderlich ist, die negative Selbstbewertung, die die ohnehin schwache Änderungsfähigkeit des Einzelnen noch mehr beeinträchtig und u. U. definitiv zu einem Nicht-Mehr-Weiterentwickeln führt. Menschen, die in Ihren Ängsten, ihren Projektionen und ihren Abwehrhaltungen steckengeblieben sind. Aber auch das gehört in ein Bild einer ganzheitlichen Welt – und – so etwas ertragen zu können und nicht zu bewerten oder abzuwerten und deshalb andere zu manipulieren, nur damit das eigene Weltbild wieder stimmig ist. An dieser Stelle manipulieren wir und werden wir täglich von anderen manipuliert. Diese Bandbreite, Unterschiedlichkeit nun ohne Groll, Ärger oder Ängste zu akzeptieren (natürlich muss man das nicht hinnehmen), dass es so ist, halte ich für eine starke Fähigkeit ganzheitlicher Lebensweise. Ich weiss, dass ich noch auf dem Weg dahin bin. Nicht mehr, nicht weniger. Punkt!

PS: Vielleicht war der „Punkt“ ja schon ein wenig dogmatisch?? Manchmal muss man aber auch Farbe bekennen dürfen und nicht alles in Frage stellen, denn auch das kann suchtartige Strukturen entwickeln.